Was macht Corona mit der Psyche?

D-Singen | Am 10. Oktober war der Welttag der seelischen Gesundheit. Ausgerufen von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der World Federation for Mental Health soll der Tag alljährlich auf die psychische Gesundheit von Menschen aufmerksam machen und für Verständnis werben.

Die Gründe für eine psychische Erkrankung sind mannigfaltig. Nun kommt ein neuer Grund dazu: Folgen für die Psyche kann auch eine Infektion mit dem Corona-Virus mit sich bringen. Nicht wenige Patienten, die nicht einmal besonders schwer an Covid 19 erkrankt waren, leiden noch über sechs Monate nach der überstandenen Infektion an den Folgen ihrer Erkrankung. Das können Funktionseinschränkungen des Herz-Kreislaufsystems oder der Lunge sein – dazu läuft am Klinikum Singen eine großangelegte Herzinsuffizienz-Studie, aber auch eine anhaltende körperliche und geistige Erschöpfung, Fatigue-Syndrom genannt. Diesem Fatigue-Syndrom ist nun eine Studie am Studienzentrum Hegau-Bodensee am Klinikum Singen auf der Spur. Assistenzärztin Sabrina Geng macht als Doktorarbeit eine Substudie zu der groß angelegten SARS Covid19 Herzinsuffizienz Hauptstudie. In ihrer Studie geht sie der Fragestellung nach „Körperliche und geistige Erschöpfung (Fatigue) – ein lang anhaltendes Covid19 Symptom?“. Die 32jährige Assistenzärztin aus Rielasingen ist seit anderthalb Jahren am Klinikum Singen und hat damit von Anfang an einen Berufsalltag unter Corona-Bedingungen erlebt. Das Thema begleitet sie seit Beginn und interessiert sie deshalb sehr. Aus vielen Beobachtungen weiß sie, dass Patienten, die an Corona erkrankt waren, deutlich häufiger am Fatigue Syndrom erkranken als die Allgemeinbevölkerung. Es sei „mega interessant“ heraus zu finden, ob sich die Beobachtungen quantifizieren lassen und ob sich daraus eine Therapie für die Erkrankten ableiten lasse. Die Substudie sei auch auf Anregung von Prof. Dr. med. Michael Jöbges, Ärztlicher Leiter der Schmieder Kliniken am Standort Konstanz, zustande gekommen, mit ihm wurde auch der spezielle Fragebogen erarbeitet, berichtet Chefarzt PD Marc Kollum, Leiter des Studienzentrums, der ein reges Interesse an der Long Covid Studie des Studienzentrums Hegau Bodensee festgestellt hat. Anfragen kommen aus der ganzen Welt, vor allem die Studie zum Fatigue-Syndrom hat bereits zu vielen Anfragen geführt und das schon vor Veröffentlichung der Ergebnisse. Das sei ungewöhnlich, so Kollum, zeigt aber die Relevanz des Themas und die Studie kann auch ganz praktische Auswirkungen haben. Es gibt bereits einige Reha-Angebote für Long-Covid-Patienten; ob deren Therapien auch für Corona-Fatigue-Patienten passen, das wird auch die Studie zeigen. Aktuell findet noch die Datenerhebung für die Fatigue-Studie statt, die Umfrage wird Ende Oktober abgeschlossen sein. Eine Zweitbefragung findet in einem halben Jahr statt. Befragt werden die Patienten, die an der großen Herzinsuffizienzstudie, die über fünf Jahre läuft, teilnehmen. Das sind 526 Teilnehmer zwischen 18 und 75 Jahren aus dem Landkreis Konstanz. Die Hälfte von ihnen hatte Corona, die andere Hälfte nicht. Es ist also eine zweiarmige Studie; das ist eher selten, weil der Aufwand viel höher ist, aber sie erlaubt durch den Vergleich der beiden Gruppen bessere Erkenntnisse über die Folgen einer Corona-Erkrankung und darüber wie diesen wirksam begegnet werden kann. „Fatigue kannte man bislang nach viralen Infektionen (z.B. EBV, CMV und Herpes), bei Krebspatienten oder Menschen die an MS erkrankt sind. Die Hälfte aller Fatigue-Patienten ist bisher nach einer Infektionserkrankung aufgefallen“ erklärt Sabrina Geng. Nun wurde dieses Syndrom auch bei Corona-Patienten festgestellt. Das hätte weitreichende Folgen, wenn wirklich so viele Patienten betroffen sind wie befürchtet. Denn man weiß bereits, dass die über das normale Maß hinausgehende Erschöpfung bei den betroffenen Patienten dazu führt, dass sie sich zurückziehen und ihre beruflichen und privaten Aktivitäten immer weiter einschränken. Rund 75 Prozent aller Fatigue-Patienten in Deutschland werden erwerbsunfähig, 25 Prozent gar bettlägerig. Ist Fatigue als Folge von einer Covid19 Infektion eher motorisch bedingt oder eher psychisch und kognitiv? Oder ist es eine Mischung von beiden? Kommt es zu einer chronischen Müdigkeit, die nicht mehr weg geht, oder wird sie im Laufe der Zeit wieder besser? Viele offene Fragen und Sabrina Geng hofft, mit ihrer Studie zur Klärung beitragen zu können. Fatigue ist bislang schlecht untersucht und auch schlecht diagnostizierbar. Deshalb wünscht sich die junge Assistenzärztin, dass ihre Doktorarbeit ein Beitrag dazu leisten kann die Krankheit besser erkennen und behandeln zu können.

(Quelle: Pressemeldung Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz, 11.10.2021)

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